Prinz William, Maximilian Minsky und ich
Berlin, 1997: Nelly Sue Edelmeister ist zukünftige Weltraumforscherin, brillante Schülerin und – verliebt. Und zwar in Prinz William! Lucy, Nellys amerikanische Mutter, findet das gar nicht komisch. Statt königlicher Websites soll ihre Tochter lieber die Thora studieren, denn Nellys Bat Mizwa, die feierliche Aufnahme in die jüdische Gemeinde, steht bevor.
Doch als die Schulmannschaft zu einem Basketballturnier nach England eingeladen wird, hat Nelly, die vorher um jeden Sportplatz einen weiten Bogen gemacht hat, nur noch ein Ziel: Sie will mit. Vielleicht lässt sich ja ein Deal mit diesem Basketball-Crack im Fledermaus-Look, diesem unsäglichen Maximilian Minsky, arrangieren…
“Prinz William, Maximilian Minsky und ich” ist als bilinguale Lektüre und als Audiobuch erschienen und wurde auch fürs Kino adaptiert.
Die Geschichte hinter der Geschichte
Eines Tages – ich war zwölf und interessierte mich noch nicht richtig für Jungen – stieß ich zufällig in der Schulbibliothek auf ein Buch mit dem Titel »The House of Windsor«. Ich hatte keine Ahnung, was das »House of Windsor« war. Ich kannte das »House of Horrors« in Coney Island, das »House of Representatives« in Washington, D.C., und das »House of Pancakes« am Long Island Expressway. Aber das »House of Windsor«? Keinen Schimmer. Ich schlug das Buch auf…
…und entdeckte Charles Philip Arthur George Mountbatten Windsor, besser bekannt als Prinz Charles, ein flotter junger Royal in einem eleganten dreiteiligen Fischgrät-Anzug. Okay, er war kein Traumtyp. Er hatte Buddha-Ohren, ein seltsam schiefes, irgendwie albernes Gesicht, und seine Nase reichte von New York bis nach Missouri. Aber hey, er war ein echter Prinz. Und er sprach sogar Englisch! Ich war hin und weg.
Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich in der Bibliothek saß und mich fragte, wie es wohl wäre, einen echten Prinzen zu heiraten und ob Charles auf den Thron würde verzichten müssen, weil er mich, eine Amerikanerin, heiratete. Und wenn er es tat, würde er in die USA kommen und mit mir in Queens leben, oder würden wir in ein Haus auf Long Island ziehen, in eines von diesen neuen, modernen im Ranch-Stil? Oder konnte ich sogar auf ein Leben im Buckingham Palace hoffen? Im Geiste richtete ich bereits unser Haus ein. Es gab 14-karätige Gold-Armaturen im Bad, einen seidenen Baldachin über unserem Bett, einen Pool im Innenhof und einen Tennisplatz hinten im weitläufigen Garten.
Doch die Dinge kamen anders. Ich habe den britischen Thronfolger Charles nicht geheiratet. Ich landete in Berlin und irgendwann bezog ich mit Eberhard eine Wohnung im Charlottenburger Kiez. Die Armaturen in unserem Bad sind aus Edelstahl – immerhin.
Sommer 1997. Als Prinzessin Diana bei dem Autounfall in Paris ums Leben kam und sich die Presse auf Prinz William stürzte (er war damals 15 und wirklich süß) –, als ich mitbekam, dass die Presse in William einen neuen Star gefunden hatte –, als ich selber erlebte, wie erwachsene Frauen bei seinem Anblick dahinschmolzen, wie Teenager in England, Amerika und selbst in Deutschland verrückt nach diesem gut aussehenden, nun mutterlosen, trauernden jungen Prinzen waren –, fiel mir meine eigene Prinz-Charles-Geschichte wieder ein. Und ich dachte: Wie wäre es, wenn ich diese Geschichte heute spielen ließe?
Die Hauptkulisse für meine Erzählung wurde Berlin – die Stadt, die ich neben meiner Heimatstadt New York am besten kenne – und ich beschloss, sie in einem deutsch-amerikanischen Umfeld anzusiedeln, weil ich auch das ganz gut kenne. Die Mutter meiner jungen Heldin wurde, wie ich, amerikanische Jüdin. Auch wenn ich nur sehr selten in die Synagoge gehe, so kenne ich doch viele Frauen in Berlin, die es tun. Sie waren für mich Vorbilder für Nellys Mutter, Lucy Bloom-Edelmeister.
Während sich die Geschichte und die Figuren entwickelten, fiel mir auf, dass es nur wenige Romane für Teenager über junge Juden im heutigen Deutschland gibt. Mein Roman, so dachte ich, könnte da eine Brücke schlagen. Ich beschloss, dass Nelly dreizehn Jahre alt sein sollte. Dreizehn ist ein wichtiges Alter für jüdische Kinder, denn in diesem Lebensjahr feiern sie ihre Bar bzw. Bat Mizwa, die Initiations-Zeremonie, die sie in den Augen der jüdischen Gemeinschaft zu Erwachsenen macht. Mit Nellys Bat Mizwa konnte ich etwas über jüdische Kultur erzählen.
Jetzt hatte ich also zwei Themen: Nellys Schwärmerei für den Prinzen und ihre Auseinandersetzung mit ihren jüdischen Wurzeln. Der Gegenpol von Schwärmerei ist »echte Liebe« oder »echte Freundschaft«, also brauchte ich einen Liebeskandidaten. Hier kam Max Minsky ins Spiel. Wie in den meisten romantischen Komödien musste ich die zwei Hauptfiguren, Nelly und Max, sehr gegensätzlich entwerfen. Also wurde Nelly ein Nerd, eine superintelligente Einzelgängerin, die sich für die Sterne interessierte, und Max ein »geistig Minderbemittelter«, der sich für nichts interessierte – jedenfalls sieht es zunächst so aus. Im Roman spielt Max den Grufti. Das ging nicht ins Drehbuch ein, aber als Gegenpol zu Nellys Begeisterung für das Weltall ist Max im Film fasziniert von Berlins unterirdischer Welt.
Wie in allen Märchen braucht man eine »gute Fee«, also entwarf ich Risa Ginsberg, eine kluge und gläubige polnische Jüdin, die den Holocaust überlebt hatte, und ihre wackeren Freundinnen Frau Goldfarb und Frau Lewi. Ich fügte Nellys Musiker-Vater Benny Edelmeister hinzu, einen Frauentyp, und Max’ überforderte, geschiedene Mutter Melissa Minsky. Nelly selbst brauchte auch eine Gegenspielerin, also wurde Yvonne, 15, geboren. All das würfelte ich durcheinander, und so entstand »Prinz William, Maximilian Minsky und ich«.
Später haben wir fürs Drehbuch den Roman noch mehr durcheinander gewirbelt, verlegten die Handlung von 1997 ins Jahr 2007, trennten uns von Prinz William, der mit 25 nicht mehr der anbetungswürdige Star sein konnte, der er mit 15 war, und schufen einen fiktiven Prinz von Luxemburg namens Edouard. Risa Ginsberg, ursprünglich eine 75-jährige Freundin der Familie, wurde eine etwas jüngere Großtante. Erstaunlicherweise haben die Figuren all diese Veränderungen zwischen Roman und Film relativ heil überstanden und sind glaubwürdig geblieben. Noch überraschender ist, dass das, was ich im Frühjahr 2000 über die Idee zum Roman schrieb, auch für den Film gilt:
»Prinz William, Maximilian Minsky und ich« ist die Geschichte von Nellys Erwachsenwerden und ihrer Suche nach Identität, wie sie lernt, ihre Wurzeln anzunehmen, ihre Mutter zu schätzen, die Schwäche ihres Vaters zu akzeptieren, Freundschaften zu schließen und sich der Welt um sich herum zu öffnen. Es ist eine Welt, in der das klügste Mädchen in der Klasse auch das dümmste sein kann. Ein ‘enfant terrible’ kann sich als Prince Charming herausstellen. Es ist eine Welt, in der wir unser Vertrauen in die Gesetze der Naturwissenschaft stecken, aber dennoch unsere religiösen Wurzeln achten können. Es ist eine Welt, in der eine Stadt wie Berlin mit seiner dunklen Vergangenheit auch ein Ort des Lichts werden kann.